Page 19 - Ärzteblatt Sachsen, Oktober-Ausgabe 2025
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ETHIK IN DER MEDIZIN
Behindertenwerksatt . Als es zu einer gung zu entsprechen, wonach der Pati-
Re-Operation der Mitralklappenrekon- ent im Falle seiner Einwilligungsunfä-
struktion kam, wurde ein HeartWare higkeit lebenserhaltende Maßnahmen
Ventricular Assist Device gesetzt . Der ablehnt, ganz gleich, wie lange die Ver-
Patient wie auch die Mutter mussten fügung zurückliegt . Diese Situation lag
die Bedienung übernehmen, was bei- in diesem Fall vor, so die Einschätzung
den schwerfiel . Hinzu kamen in der der Ethikberater, zudem gemäß § 1827
Folge weitere Komplikationen, weshalb BGB eine Weiterführung der Beat-
eine Herztransplantation in Betracht mungs- und Er nährungstherapie trotz
gezogen werden musste . Dazu wurde des gegenteiligen Patientenwillens ei-
eine ethische Fallberatung mit den be- ne Körperverletzung und somit straf-
teiligten Ärzten sowie auch der Mutter bar wäre .
durchgeführt . Es stellte sich die Frage, © SLÄK
ob es ethische Gründe gibt, die gegen Anschließend wurden folgende Fragen
eine Herztransplantation sprechen Prof . Dr . med . habil . Frank Oehmichen besprach unterschiedlich diskutiert:
den Fall eines ALS-Patienten im Zusammenhang
könnten . In der Beratung wurde neben mit einer Patientenverfügung • Sollte ein nicht reproduzierbares
dem Gesundheitszustand auch die Augenblinzeln als ein Zeichen der
Prognose auf Erfolg sowie die anschlie- welcher an Amyotropher Lateralsklero- Kommunikation angesehen werden?
ßend zu erwartende Lebensqualität se erkrankt und im Bewusstsein der • Sollten unabhängige Gutachter bei
besprochen . Thematisiert wurde auch nachstehenden Folgen dieser Krank- strittigen Situationen entscheiden?
das Vorliegen der Trisomie 21 . Hier ka- heit eine Patientenverfügung verfasst • Wissen Pfleger und Ärzte besser
men die Beteiligten zu der Überzeu- hatte . Diese besagte, dass im Falle über den Zustand des Patienten
gung, dass Trisomie 21 keine Kontrain- der Einwilligungsunfähigkeit jegliche Bescheid als Betreuer und dürfen
dikation für eine HTx-Listung ist . Nach künstliche Ernährung und Beatmung Betreuer über den weiteren Thera-
der Ethikberatung und trotz der sehr abgelehnt wird . Allerdings stimmte der pieverlauf mitentscheiden?
schlechten Prognose hat man sich für Patient später einer PEG und Tracheo- • Sollte ein Gericht entscheiden, wenn
eine Herztransplantation entschieden . tomie zu . In Folge seiner Krankheit ver- Arzt und Betreuer nicht einig sind?
Da der Patient nicht selbst entscheiden schlechterte sich sein Zustand, so dass • Welche Motive hat ein Betreuer,
konnte, wurde ihm sowie der Mutter es zur Tetraplegie kam und er künstlich wenn er auf eine Weiterbehandlung
als Betreuerin das mögliche Vorgehen beatmet und ernährt wurde . Eine Kom- besteht, gibt es eventuell persönli-
ausführlich erklärt . Eine klare Ableh- munikation, die eine sichere Einschät- che Gründe (“Ich will und kann diese
nung des Patienten hätte im Entschei- zung aktueller Wünsche erlauben wür- Menschen nicht gehen lassen .“)?
dungsprozess berücksichtigt werden de, war nicht mehr möglich . Darüber, ob
müssen . Patient und Betreuerin (Mut- der Patient in der aktuellen Situation Grundsätzlich sollte frühzeitig eine
ter) haben der Herztransplantation zu- beispielsweise durch eine leichte Au- Patientenverfügung vorliegen, damit
gestimmt . Diese wurde erfolgreich genbewegung in der Lage sei, seinen Angehörige, Pflegende sowie Ärztinnen
durchgeführt . Nach einer sehr langsa- Willen zum Ausdruck zu bringen und ob und Ärzte den Willen des Patienten
men Erholung konnte der Patient wie- die lange zurückliegende Patientenver- im Fall der Einwilligungsunfähigkeit
der die Behindertenwerkstatt besuchen . fügung noch gültig ist, herrschte Unei- kennen . Gerade Angehörige würden in
nigkeit . Während der Betreuer ein emotional schwierigen Situationen da-
Gültigkeit einer Patientenverfügung „Blinzeln“ als Wunsch nach Therapiebe- mit entlastet . ■
Im zweiten Fall von OA PD Dr . med . Ull- endigung verstanden hat, sahen das
rich Schuler, Direktor PalliativCentrum Behandlungs- und das Pflegeteam die
und Medizinische Klinik I, Uniklinik Augenbewegungen als inadäquat an . Darya Shaverneva
Dresden, ging es um einen Patienten, Letztendlich ist der Patientenverfü- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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