Page 21 - Ärzteblatt Sachsen, November-Ausgabe 2025
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THEMENHEFT 2025



        Humor in der Palliativpflege




        Humor auf einer Palliativstation?  „Ich habe Krebs im dritten Stadion“ oder  schlechtert hatte, was die besorgte
        Was gibt es denn zu lachen angesichts  am Ende einer ausführlichen Krank- Frage auslöste: „Was ist denn heute
        des nahenden Lebensendes und der  heitsgeschichte der Satz fällt: „und  mit Frau X los, sie wird doch nicht krank
        damit verbundenen Beschwerden? Das  dann sagte der Arzt: Wir haben Metas- geworden sein?“
        ist doch eine ernste Situation!     tasien gefunden .“ Oder ein Patient auf
                                            die Frage des Arztes, ob er Probleme  Auch innerhalb des therapeutischen
        So oder so ähnlich ist sicherlich der ers- mit dem Schlucken der Tabletten habe,  Teams ist der Humor ein wunderbares
        te Impuls Außenstehender bei diesem  antwortet: „nein, aber ihr Wasser ist so  Mittel,  um  Spannungen  abzubauen,
        Thema . Und das ist ja auch verständlich . trocken“ und ein Anderer auf die Frage  schwierige Situationen leichter zu er-
                                            ob ihm übel sei: „nein, weder rechts  tragen und sich selbst einmal zu ent-
        Aber eine Palliativstation ist ein Ort, an  noch links“, dann entspannt die folgen- lasten .
        dem das Lachen einen festen Platz hat .  de Heiterkeit die ganze Situation .  Dieser Humor sollte allerdings im Team
        Und zwar das Lachen miteinander als                                     bleiben,  er  hat  eine  andere  Funktion
        Ausdruck der Begabung von uns Men- Der Humor auf einer Palliativstation ist  und kommt manchmal etwas „schwarz“
        schen den Unzulänglichkeiten der Situ- geprägt vom Wissen um die Situation,  daher . Doch die wunderbar entlastende
        ation, den alltäglichen Schwierigkeiten  die  Endlichkeit des Lebens  und  dem  Wirkung eines herzlichen gemeinsa-
        und Missgeschicken mit heiterer Gelas- Wunsch, dem Unausweichlichen etwas  men  Lachens  kann  gar nicht überbe-
        senheit zu begegnen .               Leichtigkeit abzugewinnen .         wertet werden .

        Und das wird von Patienten und ihren  Das gelingt dann, wenn der Wunsch  Wenn wir es schaffen, im Kontext best-
        Zugehörigen oft sehr geschätzt und  danach vom pflegerischen und thera- möglicher pflegerischer  und medizini-
        dankbar angenommen . Denn viele be- peutischen Umfeld erkannt, aufgenom- scher Versorgung, der letzten Lebens-
        fürchten, dass es nun nur noch still und  men und umgesetzt wird . Ein erfahre- phase sowohl Tiefe als auch Leichtig-
        traurig zugeht . Aber dem ist ganz und  nes Team kann aus der Grundhaltung  keit zu ermöglichen, können wir den
        gar nicht so, denn der Humor, die Freu- des  würdevollen  Umgangs  mit  den  Ausspruch einer Patientin dankbar an-
        de und das Lachen sind in uns woh-  Patienten heraus sicherstellen, dass  nehmen: „Hier ist es so schön, manch-
        nende Ressourcen, die uns unser Leben  Grenzen des Sagbaren nicht über- mal vergesse ich, wie krank ich bin .“ ■
        lang begleitet haben, oft ohne dass wir  schritten werden und der Humor seine
        uns dessen bewusst werden . Durch  heilsame Wirkung entfalten kann .
        wie viele schwierige Situationen haben  Das kann auch Pflegesituationen ent-
        sie uns hindurchgeholfen, waren sie  spannen, die für alle Beteiligten heraus-

        buchstäblich überlebensnotwendig .  fordernd sind, zum Beispiel schwieri -
                                            ge Verbandwechsel, starke Geruchsbil-
        Weshalb sollte diese Ressource      dung,  Situationen  nach  Inkontinenz                               © Privat
        in der letzten Lebensphase          und viele mehr .
        nicht verfügbar sein?
        Der Humor ist ein Schatz, der sehr  Oft sind es auch die Patienten selbst,
        leicht zu heben ist, versteckt er sich  die ihren Wunsch nach Normalität im   Kerstin Seifert ist ausgebildete Kinderkranken-
                                                                                  schwester und war seit 1981 im St . Elisabeth
        doch häufig im Alltäglichen, in unseren  Alltag  humorvoll  artikulieren:  Einige   Krankenhaus Leipzig als Krankenschwester
        Arbeitsroutinen und Begegnungen .   Damen trafen sich über einen längeren   tätig . Gemeinsam mit OA Kamprad hat sie ab
                                                                                      1999 die Palliativstation aufgebaut und
                                            Zeitraum zum gemeinsamen Frühstück .    bis zu ihrer Rente 2024 als Stationsleitung
        Wenn zum Beispiel während des Auf- An einem Morgen fehlte eine Patientin,   gearbeitet . Sie ist verheiratet, hat vier Kinder
        nahmegesprächs die Patientin sagt:  da sich ihr Zustand über Nacht ver-                  und sechs Enkelkinder .










        Ärzteblatt Sachsen  11|2025                                                                               21
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