Page 31 - Ärzteblatt Sachsen, November-Ausgabe 2025
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THEMENHEFT 2025
Humor kann auch gefährlich sein
Ein Epilog
Ich komme aus einer Familie im Rhein- Gruppe von Menschen ausgelacht wird . Vorgaben zu beherzigen, aber ich arbei-
land, in der das Motto galt: „Besser ei- Diese aber fühlen sich einander ver- te daran und weiß, wenn etwas schief-
nen guten Freund verlieren als sich ei- bunden, was die Ausgrenzung doppelt geht, oft woran es lag .
nen flotten Spruch verkneifen!“ Das schmerzhaft macht . Der Perspektiv- Bei Humor darf eines nicht fehlen, sich
war allerdings ein hartes Training, denn wechsel hilft einem, sich hier nicht auch selbst auf die Schippe nehmen zu
ohne kleine oder größere Blessuren durch Gruppendynamik mitreißen zu können . Sie kränken damit niemanden,
kam man nicht davon . Gelernt habe ich lassen . Sich in die Rolle des Ausgelach- aber das Gegenüber kann und darf frei
dabei natürlich auch, dass Humor ver- ten hineinzuversetzen ist hierbei eine lachen und sich durchaus auf Ihre Kos-
letzen kann und dass man gut daran heilsame Methode . ten lustig machen . Das ist dünnes Eis,
tut, vor einem vermeintlich „guten“ denn Sie müssen dabei immer mit
Spruch kurz noch einmal innezuhalten Heute gibt es Kurse, um Humor auch Querschlägern rechnen, die Sie dann
und das oder die Opfer in den Fokus zu als hilfreiches Instrument der Kommu- doch treffen könnten . Das sollten Sie
nehmen . Das ist leichter gesagt als ge- nikation einsetzen zu lernen . Beispiele immer einkalkulieren und einfach als
tan, denn Situationskomik beruht oft finden Sie in diesem Heft . Mir blieb weiteres Humorinstrument verstehen
auch auf Schlagfertigkeit und diese meist nur Lernen aus Erfahrung, was und nutzen . Sie können das in Würde
steht dem Innehalten eindeutig im unfassbar wichtig ist, aber leider eben einstecken und sich freuen, wenn da-
Weg . Aber das Innehalten, das Reflek- auch schmerzhaft . Denn meistens lernt rüber gelacht werden kann . Oft werden
tieren, das Nachfragen, das Beobach- man aus Fehlern und nicht aus dem, Sie dann in der Gruppe aufgefangen,
ten des Gegenübers sind zentrale In - was gut funktioniert, das bleibt oft un- was immer viel Freude macht und Ihre
stru mente im Humorbaukasten, die ge- bewusst . Ich kann mich noch gut an persönliche Resilienz erhöht .
nutzt und vor allem differenziert einge- eine Situation erinnern, in der ich als
setzt werden wollen . junge Studentin mit meiner nassfor- Meine eigene Lebenserfahrung kann
schen und kalauernden Art einen Pati- ich ganz einfach mit einem abgewan-
Humor gab es bei uns immer: scharfen enten massiv gefährdet habe . Ich war delten Zitat von Loriot zusammenfas-
wie oben beschrieben, freundlichen, bei Sitzwache auf einer Überwachungsein- sen: „Ein Leben ohne Humor ist mög-
dem einfach gemeinsam über witzige richtung für Lysen bei tiefen Beinve- lich, aber sinnlos!“ In diesem Sinne ver-
Situationen berichtet und gelacht wur- nenthrombosen und führte bei einem abschiede ich mich von den Lesern des
de, zynischen bei dem man über All- Patienten durch meine für ihn uner- „Ärzteblatt Sachsen“ und hoffe, Sie alle
tagsprobleme oder nervige Begegnun- trägliche Art zu einer hypertensiven hatten in den zwölf Jahren mit mir als
gen gemeinsam lästern und sich so Krise mit Werten deutlich über 200 Ärztliche Geschäftsführerin mehr zu
entlasten konnte, schwarzen gerade in mmHg systolisch . Was das unter Lyse lachen als zu weinen . ■
Angesicht von schwersten Erkrankun- bedeutet, war mir natürlich klar . Plötz-
gen und Tod . Menschen haben einen lich war mir bewusst, dass ich differen-
sehr unterschiedlichen Sinn für Humor zieren muss und dass meine Art des
weshalb es so wichtig ist, zu beobach- Humors einfach nicht für alle Men-
ten, wie reagiert wird . Gemeinsam schen passend ist, dass ich beobachten
herzlich zu lachen ist die beste Metho- muss und dass ich vor allem bei Pati- © SLÄK/fotografisch
de, Menschen einander näher zu brin- enten verpflichtet bin, ihre Bedürfnisse
gen . Es kommt zur Ausschüttung von zu berücksichtigen . Dieses Erlebnis hat
Oxytocin, das als Bindungshormon be- meine Art des Umgangs mit Patienten
Dr . med . Patricia Klein war
kannt ist . Aber das ist natürlich auch und mit Menschen allgemein sehr ge- zwölf Jahre lang Ärztliche Geschäftsführerin
eine Gefahr . Jeder kennt die Erfahrung prägt . Natürlich gelingt es auch mir der Sächsischen Landesärztekammer
der Ausgrenzung, wenn man von einer nicht immer, meine selbst gesteckten und Ideengeberin dieses Heftes .
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