Page 7 - Ärzteblatt Sachsen, November-Ausgabe 2025
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THEMENHEFT 2025




        der Prävention in stationären Pflege- Nationen .  Es  spielte  keine  Rolle,  aus  de in den USA erleben . Umso wichtiger,
        einrichtungen“, sagt Heiko Kotte, Fach- welchem Land jemand kam . Oder wel- dass  wir wissen: Humor  ist diagnos-
        bereichsleiter Gesundheitsförderung .  cher Religion er angehörte . Menschen  tisch, therapeutisch und in der Präven-
        „Die Beschäftigten und Bewohnerinnen  halfen Menschen, weil sie Menschen  tion des eigenen Burn-Outs wertvoll
        und Bewohner in Pflegeeinrichtungen  waren . Denn das Klinikum Magdeburg  und aus der Medizin nicht mehr wegzu-
        sind seit geraumer Zeit hohen Belas- ist ein Ort, an dem Hass und Hetze kei- denken .
        tungen ausgesetzt . Das Projekt soll  nen Platz haben . An dem es keinen Un-
        helfen, ihre Freude im Umgang mitein- terschied macht, welchen Vornamen  Nach diesem ernsten, aber notwendi-
        ander und ihr seelisches Gleichgewicht  Du hast . Oder welchen Nachnamen .  gen Einschub noch ganz praktisch: Wer
        zu erhalten .“                      Was zählt, ist das Mensch sein . Mag  seinen Humor trainieren möchte, kann
                                            sein, dass das einige anders sehen .  sofort damit anfangen: Gerade weil ab-
        Heute sprechen wir viel mehr über  Doch nur, weil sie laut brüllen, sind sie  surde Situationen ständig passieren,
        „mental load“, über seelische Gesund- nicht viele . Nur, weil sie Angst verbrei- aber auch sehr flüchtig sind, lohnt es
        heit und Resilienz . Den Grundstein für  ten wollen, dürfen wir nicht zulassen,  sich, sie gleich aufzuschreiben oder
        diese zentralen Pfeiler der eigenen  dass die Angst siegt . Unser Kranken- auch einen Schnappschuss mit dem
        seelischen Widerstandskraft legte der  haus  wäre  ohne  die  Kolleginnen  und  Handy zu machen . In einer Studie zu
        Wiener Psychiater Viktor Frankl, der die  Kollegen aus anderen Ländern von  Kinderhumor sagte ein Kita-Kind in
        KZs Theresienstadt, Auschwitz und Da- heute auf morgen dicht . Wir hätten  Leipzig aus dem Nichts heraus: „Man
        chau überlebte . Frankl schrieb 1946:  nicht helfen können, als es darauf an- kann nie mehr etwas verlieren, wenn
        „Humor war eine weitere Waffe der  kam . Wir hätten die Erwachsenen und  man weiß, wo irgendwo ist!“ Das finde
        Seele im Kampf, sich selbst am Leben  Kinder nicht retten können . Respekt ist  ich schon sehr nahe an einer buddhis-
        zu erhalten .“ Mit einem Mithäftling, ei- nicht nur ein Wort für Sonntagsreden .  tischen  Erleuchtung,  an  einem  Zen-
        nem Arzt, vereinbarte er, dass sie sich  Respekt muss gelebt werden . – Wir tun  Koan . Hätte es die Erzieherin nicht so-
        jeden Tag eine heitere Anekdote aus- dies . Jeden Tag . Danke noch mal an alle  fort aufgeschrieben, wäre uns diese
        dachten, was nach dem  Tag ihrer  Be- im Haus!“                         tiefe Weisheit verloren gegangen . Ein
        freiung passieren würde . Viktor Frankl                                 anderer Weg, seinen Humormuskel zu
        baute in seinen Geschichten auch Vor- Jedwede Ideologie zeigt sich an der ab- trainieren, ist, sich gezielt mit humor-
        kommnisse aus dem Lagerleben ein .  soluten Humorlosigkeit ihrer Anhänger .  vollen  Menschen  zu  umgeben  oder
        Ich hatte das Glück, sein  Museum in  Und deshalb haben sie auch so Angst  auch  live  Kabarett, Theater, Stand-up
        seiner Wohnung in Wien kennenzuler- vor den freien Meinungsäußerungen  Comedy  oder  Poetry  Slams  zu  besu-
        nen und seine Frau zu interviewen . An  der „Hofnarren“, wie wir das auch gera- chen . Notfalls auch digital . Es steckt an,
        dieser Stelle sei daher erwähnt, dass es
        gerade sehr unlustige rechtspopulisti-
        sche und menschenverachtende Ent-
        wicklungen in Deutschland gibt, die alle
        Ärztinnen und Ärzte, alle im Gesund-
        heitswesen,  alle Fans einer offenen
        Gesellschaft  und Demokratie  auffor-
        dern, sich klar zu positionieren . Die
        Ärztekammern haben ja vor den Wah-
        len  darauf  hingewiesen,  dass  wir  alle
        auf Mitarbeitende mit verschiedenen
        Herkünften angewiesen sind, die sich
        in Deutschland wohl fühlen . Und in je-
        dem Vortrag zeige ich den Insta-Post
        der Uniklinik Magdeburg:
        „Als wir vor  knapp 72 Stunden den
        ‚#Massenanfall von Verletzten‘ bei uns
        im Klinikum ausrufen mussten, waren
        sie alle da: Mitarbeitende aus über 20



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