Page 4 - Ärzteblatt Sachsen, Januar-Ausgabe 2025
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EDITORIAL




                                                              schwadroniert . Das muss doch die Menschen in die Angst, ja,
                                                              wenn nicht sogar in den Wahnsinn treiben . Eine weitere
                                                              Folge ist die innere Emigration derer, die in den Gesundheits-
                                                              berufen und der Pflege arbeiten .
                                                              Führt das permanente „Schlechtreden“ von Arbeitsbedin-
                                                              gungen nicht erst recht dazu, dass man die Arbeitsbedin-
                                                              gungen auch als schlecht empfindet? Natürlich gibt es Grund
                                                              genug, Veränderungen und Verbesserungen  einzufordern,
                                                              aber prallen hier nicht Ideologie getriggerte politische Ansa-
                                                              gen mit der Wirklichkeit heftig aufeinander und vergiften
                                                              den menschlichen Umgang miteinander?
                                                              Ideologie führt aus meiner Sicht zu „einfachen“ und meist zu
                                                              stark verkürzten Aussagen . Das Leben ist nicht schwarz
                                                         © SLÄK/  FOTOGRAFISCH  oder weiß . Nein, es ist viel komplizierter und komplexer und
                                                              lässt sich nicht mit einfachen gesetzlichen Verboten oder
                         Erik Bodendieck                      Geboten bestimmen . Zumindest nicht in unserer aufgeklär-
                                                              ten Gesellschaft, in der sich im Grunde seit dem 16 . Jahrhun-
                                                              dert das Subsidiaritätsprinzip durchgesetzt hat . Das heißt,
        Sapere aude                                           es kommt auf jeden Einzelnen an, damit das Räderwerk

                                                              funktioniert .
        Liebe Kolleginnen und Kollegen,                       Ich bin der festen Überzeugung, dass die Geschichte unseres
                                                              Landes eine andere gewesen wäre, wenn nicht jeder Ein-
        wenn Ihnen dieses Heft vorliegt, sind die Weihnachtsfeier- zelne immer wieder an eine positive Zukunft geglaubt und
        tage und der Start in das neue Jahr schon einige Tage vorü- sich in die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft
        ber . Doch als ich diese Zeilen schrieb, stand uns dies noch  gestellt hätte, insbesondere auch in den dunklen Zeiten der
        bevor .  Zuerst möchte ich Ihnen und Ihren Familien, Freun- Diktaturen . Auch heute sehe und erlebe ich dies an vielen
        den und Verwandten an dieser Stelle ALLES GUTE, GLÜCK  Orten . Da sehe ich Sie, meine Kolleginnen und Kollegen . Ich
        UND GESUNDHEIT SOWIE FREUDE für und im Jahr 2025  sehe aber auch viele Menschen, die sich ehrenamtlich enga-
        wünschen .                                            gieren und viele weitere . Alle gemeinsam übernehmen damit
        Wie immer ist auch dieses neue Jahr bei jedem Einzelnen mit  die Verantwortung für ein funktionierendes Gemeinwesen .
        Hoffnungen und Wünschen verbunden . Inwieweit alle guten  Eben gerade dies macht die Kraft unseres Landes aus .
        Vorsätze  auch  Wirklichkeit werden, hängt  natürlich meist  Auch 2025 werden wieder weltweite Krisen herrschen, die es
        von jedem selbst ab .                                 zu meistern gilt . Und wir werden auch nicht vor tiefgreifen-
        Sie alle haben im vergangenen Jahr viel geleistet . Viele Men- den Veränderungen in unserer ärztlichen Berufsausübung
        schen waren Ihnen sehr dankbar für Ihren Rat, Ihren Hand- weglaufen können . Vieles ist und bleibt zum heutigen Zeit-
        griff, Ihre Zuwendung, Ihre Therapie, auch wenn es gefühlt  punkt unwägbar . Die Lösung für viele Fragen sind nicht ein-
        immer seltener artikuliert wird . Und wir hören und erleben  fache Antworten, sondern die Lösung ist, sich auseinander-
        auch eine steigende Aggressivität und ein überschießendes  zusetzen, gemeinsam Antworten auf Fragen zu suchen und
        Forderungsverhalten .                                 miteinander um das beste Ergebnis zu ringen und durchzu-
        Ich frage mich oft, wo kommt dies her? Mir erscheint die Ant- setzen .
        wort recht banal, aber ist dieses Verhalten nicht Ausdruck
        einer Angst? Angst vor Zukunft, Angst vor Verlust, Angst vor  Lassen wir uns nicht den Blick verstellen und bleiben wir
        Bedeutungslosigkeit . Und vergessen wir dabei nicht oft auch  offen . Ideologie und Abgrenzung oder gar Ausgrenzung sind
        unsere Umgebung, was dann wiederum den Eindruck einer  kein Rezept für eine gedeihende Gesellschaft . Akzeptieren
        gesteigerten Individualbetonung hervorruft? Doch wie sollte  wir  uns  gegenseitig und  bieten unsere  Hand unserem
        es denn anders sein? Es wird unseren Patienten jeden Tag  Gegenüber . Grundwerte des Humanismus, des sozialen Mit-
        vermittelt, dass die Gesundheitsversorgung und Pflege nicht  einanders und auch unserer christlichen Herkunft müssen
        mehr bezahlbar und die Qualität der Versorgung schlecht sei,  dabei immer handlungsleitend bleiben . ■
        Personal fehle, Termine nicht zur Verfügung stünden und                                     Ihr Erik Bodendieck
        letztlich wird immer wieder von einer Zwei-Klassen-Medizin                                        Präsident


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